Deutsch Francais
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Adolf Schlieben, 1885 - Als ich schlummernd lag heut Nacht,
lockten süsse Träume, schimmernd in der Jugend Pracht, mich in ferne Räume. Krasses Füchslein sass ich schlank in der Kneipe wieder, und in vollem Chore klang laut das Lied der Lieder:
Gaudeamus igitur, iuvenes dum sumus! post iucundam iuventutem, post molestam senectutem nos habebit humus.
- Tabakswolkenduft umkreist
bläulich Rheinweinbecher; desto heller flammt der Geist in dem Haupt der Zecher. Füchslein fühlt im Weltenrund sich der Schöpfung Krone, und es singt mit keckem Mund und mit keckem Tone:
Ubi sunt qui ante nos in mundo fuere? Vadite ad superos, transite ad inferos. Ubi? Iam fuere.
- Jäh erwacht ich. - Glockenklar
tönt' mir's in den Ohren: Heut sind's runde siebzig Jahr, seit du wardst geboren. Heut schon liegen hinter dir, der Semester hundert! - Hell rieb ich die Augen mir, summte still verwundert:
Vita nostra brevis est, brevi finietur, venit mors velociter, rapit nos atrociter, nemini parcetur.
- Schnell vom Lager sprang ich auf,
rief: Mir hat das Leben viel in seinem kurzen Lauf, Leid und Lust, gegeben. Sei vergessen, was gedrückt mich mit Sorg und Plage; heut' ein Hoch dem, was beglückt' meine jungen Tage:
Vivat academia, vivant professores, vivat membrum quodlibet, vivant membra quaelibet, semper sint in flore!
- Goldne Burschenzeit entflog
schnell - dass Gott erbarme! Ledern Philisterium zog mich in dürre Arme. Doch philistern lernt' ich nicht, hoch, auf goldnen Schwingen, trug mich Lieb zum Himmelslicht, jubelnd durft' ich singen:
Vivant omnes virgines, faciles formosae! Vivant et mulieres, tenerae, amabiles, bonae laboriosae!
- Weib und Kinder an der Hand,
freut' ich mich des Lebens; nützlich sein dem Vaterland, ward das Ziel des Strebens. Konnte sich's zum Paradies auch nicht ganz gestalten, Treue, die ich ihm erwies, hat's mir doch gehalten.
Vivat et respublica et qui illam regit! Vivat nostra civitas, maecenatum caritas, quae nos hic protegit.
- Im lateinschen Liede sang
heut ich alter Knabe meines Lebens ganzen Gang von der Wieg zum Grabe; komme, wann du willst, Freund Hein, mich zur Ruh zu bringen; doch wie einst als Füchselein, will der Greis noch singen:
Pereat tristitia, pereant osores, pereat diabolus, quivis antiburschius, atque irrisore!
1885 Adolf Katsch (1828 - 1896)
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